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Breakdown, Getriebeschaden

Plötzlich Immobilien-Besitzer

Katschong, Rumps und dann absoluter Stillstand – so endet unser Aufbruch von Malhao Richtung Algarve bereits nach 500 Metern. Eigentlich wollten wir nun tatsächlich mal bis nach Sagres fahren und uns den Süden Portugals anschauen, aber das Schicksal hat offenbar anderes mit uns vor. Fred war angesprungen wie immer, vom Platz gerollt und dann hatten wir noch einmal kurz angehalten, um etwas von hinten zu holen – und beim Wiederanfahren geht plötzlich nichts mehr. Fred bockt wie ein störrischer Esel und lässt sich nur wiederwillig in der Untersetzung in eine abzweigende Seitenpiste lenken.

Nix geht mehr

Dort bocken wir ein Hinterrad auf und lassen die Kupplung kommen, während einer von uns unter dem Lkw liegt und die Geräuschkulisse beobachtet. Es klingt so, als würde im Verteilergetriebe etwas unrund laufen. Nach kurzer Beratung beschließen wir, ganz langsam wieder auf den Parkplatz zurückzurollen und uns das Ganze dort in Ruhe genauer anzusehen. Gesagt, getan, wir brauchen gut 20 Minuten für die rund 500 Meter, es geht nur noch in der Untersetzung vorwärts und die Geräusche unterm Lkw klingen gar nicht gut…

Die genauere Inspektion bringt dann das ganze Elend zu Tage: Beim Ölablassen fallen uns direkt zwei ca. 4,5 cm lange Zähne aus dem Getriebe entgegen, weiteres Nachfummeln steigert die Zahl der großen Splitter auf acht. Also eindeutige Diagnose: Totalschaden im Verteilergetriebe – und das bei gerade mal knapp 30.000 km Laufleistung des Getriebes (denn der Vorbesitzer hatte es ebenfalls schon mal ausgetauscht) und 64.000 km auf dem Tacho.

Wie kann das sein?

Zur Abklärung des weiteren Vorgehens telefonieren wir sowohl mit unserer Lkw-Werkstatt in Hamburg als auch mit der Firma, von der Freds Chassis stammt und die damals auch das Ersatzverteilergetriebe besorgt hat. Außerdem posten wir unser Problem auf Facebook, Instagram und einschlägigen Foren – und werden überrollt von einer digitalen Welle der Hilfsbereitschaft. Es ist wirklich unglaublich, wie viele Unterstützungsangebote, Adressen von Werkstätten, Ideen zur Lösung des Problems und ähnliche Erfahrungsberichte wir bekommen. An dieser Stelle nochmals ein ganz herzliches Dankeschön an alle, die uns so emsig unterstützt haben.

Als besonders aufschlussreich entpuppt sich der Kontakt mit einem Italiener, der einen baugleichen MAN (der auch noch von der gleichen Firma wie Fred stammt) mit dem gleichen Verteilergetriebe (G450 von MAN) hat – und vor 1,5 Monaten genau den gleichen Totalschaden hatte wie wir; nur nicht in Portugal, sondern in Südamerika. Im Laufe der Zeit verdichten sich die Informationen über weitere Vorfälle mit diesem VTG, das offenbar einfach zu schwach für ein so schweren Lkw (Fred wiegt 14,5 Tonnen) ist.

Und nun?

Deshalb entscheiden wir, dass wir auf gar keinen Fall nochmal das G450 einbauen wollen – mal abgesehen davon, dass es mittlerweile wohl auch kaum noch aufzutreiben ist. Stattdessen nehmen wir das Vorgehen des Italieners als Blaupause für unsere weiteren Schritte. Wir wollen das VTG ausbauen, durch eine Kardanwelle an die hintere Achse überbrücken und dann erstmal als 4×2 weiterfahren. In Deutschland werden wir dann ein anderes VTG (derzeitiger Favorit das VG 102 von ZF) einbauen lassen. Laut dem Italiener passt dieses – mit einigen Anpassungen – wunderbar und ist in seiner Leistung deutlich robuster, erfordert aber eine entsprechende Fachwerkstatt.

So viel zur Theorie – nun müssen wir das nur noch in die Praxis umgesetzt kriegen. Und auch hier werden wir vor Ort sagenhaft unterstützt. So bleibt unser Missgeschick auch den regelmäßig vorbeikommenden Einheimischen nicht verborgen und sie bieten sofort Hilfe an, erkundigen sich nach in der Nähe liegenden Werkstätten usw. Und auch andere Reisende wollen uns helfen, allen voran Wille, der Pfälzer samt Hündin Emy, die wir ja Weihnachten in Malhao kennengelernt hatten und mit denen wir uns seitdem schon mehrmals wieder getroffen hatten. Denn nachdem wir ja schon zwei Wochen hier gestanden hatten, gehen so langsam unsere frischen Vorräte aus – da sorgt Wille aber schnell für Abhilfe, indem er direkt aus dem Süden Portugal zu uns kommt und mit mir (Carola) erstmal zum Großeinkauf in den nächsten Supermarkt fährt. Wir sind ganz gerührt über so viel Einsatz!

Damit haben wir nette Gesellschaft, wieder ausreichend Essen & Trinken – und das Wetter spielt auch weiterhin mit strahlendem Sonnenschein mit. Und nicht zu vergessen, der unverändert schöne Meerblick und die großartige Landschaft um uns herum. Man könnte fast sagen, wir sind nun Immobilienbesitzer an der portugiesischen Westküste 😉

Da hilft nur schweres Gerät!

Aber auch wenn’s noch so schön ist, irgendwann würden wir dann doch gerne wieder mobil sein – wobei wir die Situation insgesamt beide sehr entspannt nehmen. Denn zum Glück haben wir ja keinerlei Zeitdruck, wir können weiter unserer Arbeit nachgehen und stehen auch sonst nix aus. Da sind deutlich schlimmere Pannen-Szenarien denkbar.

Und Rettung naht! Als Joker in der aktuellen Lage entpuppt sich Rui, den wir direkt am Anfang unseres Portugal-Aufenthaltes kennengelernt hatten und bei dem wir bereits eine Woche auf der Farm waren. Als wir ihm von unserer Panne und unserem geplanten Lösungsansatz berichten, sorgt er umgehend für die nötige Unterstützung. Sein Plan: Wir kommen wieder zu ihm auf die Farm und dort helfen er und sein Bruder (der praktischerweise Ingenieur ist und beruflich auch mit Kardanwellen zu tun hat – wieviel Glück kann man haben?!) uns dann bei der Reparatur.

Da wir die 70 Kilometer bis Lousal nicht mehr aus eigener Kraft schaffen werden, muss schweres Gerät ran. Es erscheint frühmorgens um 7:00 Uhr in Gestalt eines Tiefladers. Nur leider schaffen wir es um Haaresbreite nicht mehr aus eigener Kraft die Rampe hoch, man kann förmlich hören, wie sich der nächste Zahnradkranz im Verteilergetriebe verabschiedet… Aber José, der Fahrer, schafft flugs Abhilfe und organisiert aus der Nähe einen Bagger, während Stefano die Kardanwelle löst. Der Bagger zieht uns dann routiniert mit einer Kette die Rampe hoch, während die Zuschauerzahl rund um das Geschehen langsam wächst.

Nun muss das insgesamt 28 Tonnen schwere und 4,50 hohe Gefährt „nur noch“ die Fahrt über die ja eher schmalen und teils Schlagloch-geplagten Straßen bis zu Rui’s Farm schaffen. Aber auch das klappt – wobei es an einigen Stellen wirklich eng ist. Sicherheitshalber hatten wir die Strecke schon vorab auf Google Maps abgefahren, wobei einen Brücken mit Höhenangaben von 5,09 Meter schon etwas besorgt machen, man weiß ja nie, ob die Messung wirklich stimmt; und auch die freihängenden Stromleitungen sind an einigen Stellen recht tief angelegt…

Auf der Farm angekommen, wartet schon Antonio, Rui’s Nachbar, mit dem Trecker auf uns – denn logischerweise kommen wir auch nicht mehr aus eigener Kraft vom Tieflader wieder runter. Schwupp, noch in eine gerade Position gezogen und unser Landleben kann beginnen!

Outdoor-Werkstatt auf dem Land

Nun können wir uns ganz entspannt Schritt für Schritt der Reparatur nähern. Dazu baut Stefano erst mal die Kardanwellen am Verteilergetriebe aus und wir ermitteln die Länge der benötigten Überbrückungswelle. Die treibt Rui dann für uns bei einem Schrotthändler auf – und fährt mit Stefano die 127 km dorthin, um sie abzuholen. Dann kommt das Verteilergetriebe raus und Rui und Stefano fertigen die technischen Skizzen mit allen Maßen für den geplanten Reparaturansatz an.

Ein paar Tage später trifft Fernando, Ruis Bruder, ein und weiter geht’s. Die besorgte Überbrückungskardanwelle muss nun auf das richtige Maß gekürzt werden – denn bei der Auswahl waren die passenden Flansche wichtiger als die Länge. Mit der Flex wird die überflüssige Länge rausgeschnitten und das Ganze testweise unter Fred eingepasst. Nun wird Fernando das Gelenk und die gekürzte Welle wieder zusammenschweißen, die benötigte Abstützung bauen und mit den fertigen Teilen wieder auf die Farm zurückkehren.

Ein Hoch auf die Portugiesen

Es ist einfach großartig, was Rui und Fernando hier für uns machen – das kann man gar nicht oft genug betonen! Wir haben so ein unglaubliches Glück, in dieser Situation so tolle Menschen an unserer Seite zu haben! Nicht nur, dass alle notwendigen Schritte für die Reparatur in die Wege geleitet werden, wir haben hier gleichzeitig auch noch einen so schönen Stellplatz mit Familienanschluss und Integration ins Farmleben: Bäume pflanzen, entlaufende Kühe wieder einfangen, zusammen auf Rui’s Veranda sitzen – und das alles bei bestem Wetter mit teilweise über 20 Grad.

Damit nehmen wir das Ganze auch sehr gelassen. Natürlich ist so ein Totalschaden sehr ärgerlich (und leider auch teuer), aber die damit verbundenen zwischenmenschlichen Erfahrungen – hier vor Ort, aber auch virtuell – sind unglaublich schön und damit unbezahlbar. Und darum geht’s uns ja letztlich beim mobilen Leben: Neue Erfahrungen machen, in andere Lebenswelten eintauchen und sich einfach vom Leben überraschen lassen.

Unter diesem Gesichtspunkt war der Februar also ein voller Erfolg, wobei wir damit gleichzeitig auch unser erstes Jahr unterwegs mit unvergesslichen Momenten abschließen; denn am 1.3. haben wir die ersten 366 Tage in Fred vollendet – und wir sind sicher, dass es genauso spannend weiter geht!

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