Die ersten Mai-Tage verbrachten wir noch in Foz do Arelho, bevor es dann wieder zum kleinen Haus zurück ging. Damit waren wir drei Wochen unterwegs gewesen und einmal mehr hatten wir gemerkt, wie sehr es uns gefehlt hatte, mal wieder andere Plätze und Leute zu sehen und neue Sachen zu erleben. So eine Homebase ist wirklich eine tolle Sache, aber eigentlich waren wir ja mit Fred losgezogen, um die Welt zu erkunden. Dieser Gedanke machte sich zunehmend in uns breit und führte dann in diesem Monat zu einer Entscheidung.
Home, sweet home – aber…
Wie immer war es ein total schönes Gefühl, über die Holperpisten auf die Farm zurück zu kommen und dann bei der Fahrt über unseren Hügel das kleine Haus vor uns auftauchen zu sehen. Allerdings hatte sich die Landschaft während unserer Abwesenheit deutlich verändert: Zum einen verfärbten sich die Hügel durch die zunehmende Hitze bereits wieder von grün zu braun, zum anderen waren Antonios Kühe zeitweise auf eine andere Weide umgezogen – und damit war das verbliebene Gras, aber vor allem das Unkraut, die Gräser und die Disteln in der Wiese geradezu explodiert.
Unsere erste Tat bestand daher im Erwerb einer Sense im örtlichen Landhandel, mit Harken und ähnlichem waren wir ja schon gut ausgestattet. Mit der Sense mähten wir dann Stück für Stück die Flächen rund um Fred frei und schnitten auch den Vorplatz des kleinen Hauses wieder kurz. Warum das alles? Die stacheligen Disteln, aber vor allem die Grannen der diversen Gräser sind für TomTom ausgesprochen unangenehm. Sie verfangen sich überall in seinem fusseligen Fell und die Grannen stecken mit ihren Widerhaken zudem an allen möglichen Körperstellen. Letztes Jahr hatte TomTom durch eine Granne eine üble Entzündung am Hinterlauf, die wir nur mit Hilfe von Carmen (sie ist Tierheilpraktikerin) wieder in den Griff bekommen haben.
Ansonsten stand natürlich auch eine Grundreinigung des kleinen Hauses an, zudem hatten wir noch zwei stabilere Stahlregale für den Lagerraum besorgt, da sich die zuvor gekauften Billig-Holzregale als nicht geeignet für die inzwischen vorhandenen Geschirrmengen erwiesen hatten. Das kleine Haus hatte sich in den vergangenen Monaten von einer verlassenen Teilruine in eine gemütliche Offgrid-Bewirtungs-Location verwandelt und war damit tatsächlich in ein neues Leben gestartet. Das ist ein wirklich schönes Gefühl und wir hoffen, dass es so noch viele weitere Jahre vor sich hat.
Aber während wir all diesen Aktivitäten nachgingen und abends auf unserer Terrasse den Sonnenuntergang anschauten, machte sich mehr und mehr das Gefühl breit, dass die Zeit unserer Sesshaftigkeit für uns vorbei war. Es waren 15 unvergessliche Monate auf der Farm gewesen, wir hatten die Zeit mit wunderbaren Menschen verbracht, hatten tolle Projekte realisiert und waren dabei im Herzen immer mehr zu Portugiesen geworden. Aber genau darum geht es ja auch beim unterwegs sein: Andere Menschen und Kulturen kennenlernen und völlig neue Erfahrungen machen. Ohne unseren Verteilergetriebeschaden und die dann folgende Pandemie wären wir niemals so tief in die portugiesische Kultur eingetaucht und hätten so viel über Land und Leute gelernt, auch so viel Persönliches – viel mehr, als hier in unserem Blog Platz findet.
Umgekehrt waren wir ja gerade mal etwas mehr als zwei Jahre in Fred unterwegs und es gibt noch so viel in der Welt zu entdecken – auch wenn Portugal und vor allem unsere portugiesische Familie immer einen ganz besonderen Platz in unserem Herzen haben werden. Diese Gedanken teilten wir auch mit Rui und Fernando, die mit so etwas vermutlich schon gerechnet hatten. Unsere Homebase würde uns auch zukünftig jederzeit zur Verfügung stehen – es war kein „Lebewohl“, sondern ein „Auf Wiedersehen“.
Aber natürlich war der Abschied trotzdem sehr schwer, vor allem, als wir dann alle unsere Sachen, die wir zwischenzeitlich im kleinen Haus eingelagert hatten (wie Surfbretter, Werkzeuge, einen Teil unserer Vorräte) nun wieder in Fred verstauten. Als wir ein letztes Mal die Tür von dem kleinen Haus abschlossen und es der Obhut von Rui und Fernando übergaben, saß uns schon ein sehr dicker Kloss im Hals, der auch nicht so schnell weggehen wollte – nun wußten wir auch, was die Portugiesen mit „Saudade“ meinen…
Wieder „on the road“ und alte Freunde treffen
Zum Glück hatten wir bei unserem Aufbruch direkt eine Verabredung. Und zwar mit Wille und seiner Hündin Emy. Die beiden hatten wir ganz am Anfang unserer Portugalzeit in Malhao kennengelernt und dann mehrfach wiedergetroffen. Die ganze Zeit waren wir immer in Verbindung geblieben, hatten ab und an telefoniert und uns gegenseitig auf dem Laufenden gehalten. Nun war Wille das erste Mal seit 15 Monaten wieder in Portugal – wenn das keine Fügung des Schicksals war. Wir trafen uns auf dem Camping Galé in der Nähe von Melides. Dort waren wir Anfang 2020 auch schon mal gewesen, als wir dringend Landstrom für unsere schwächelnden Batterien brauchen. Das war jetzt ja zum Glück nicht mehr nötig – und es war ein echter Stimmungsaufheller, Wille und Emy nach so langer Zeit wiederzusehen.
Wir hatten jede Menge schöner Tage zusammen, natürlich wurde auch wieder gekocht und abends genossen wir immer die spektakulären Sonnenuntergänge von Portugals Westküste. Denn der Camping von Galé bietet nicht nur die von uns sehr geschätzten sandigen Stellplätze unter großen Pinien, sondern er schließt mit seiner Rückseite direkt an die Steilküste an. Man kann wahlweise über Pfade zwischen den beeindruckenden Felsformationen an den Strand runter gehen – oder man nimmt den oberen Pfad entlang der Küste und hat nahezu jeden Tag das perfekte Sonnenuntergangsszenario.
Und wir blieben nicht alleine: Sonja, unserer Freundin von der Algarve, ging es ähnlich wie uns: Sie hatte das Gefühl, ihre Homebase mal verlassen zu müssen. Also stießen sie und ihre Hündin Kila für ein paar Tage zu uns. Sonja und Wille verstanden sich auf Anhieb und auch die beiden Hündinnen wurden schnell miteinander warm. Und TomTom fand es natürlich super, gleich zwei Mädels um sich zu haben.
Und genau solche Begegnungen und Freundschaften sind es, die das Leben unterwegs so besonders machen. Man kommt mit Menschen in Kontakt, die man im stationären Leben vermutlich nie getroffen hätte, so unterschiedlich sind teilweise die beruflichen und privaten Hintergründe. Das macht es auch so spannend, man erhält plötzlich Einblick in ganz andere Lebensmodelle und Gedankenwelten, was eine unglaubliche Bereicherung ist – und den eigenen Horizont erweitert.